Im Rahmen unserer Fachforen spricht Keynote Speaker Ralf Lanwehr ausführlich über New Work, Visionen und Führungsstile. Mit spannenden Anekdoten zieht er Parallelen zwischen den Anforderungen an Bundesliga-Trainer und Führungskräfte in Unternehmen. In unserem Interview gibt er uns spannende Einblicke in diese Themen.

„Wertschätzung ist wahnsinnig wichtig“

Hallo Ralf, Du coachst Bundesliga-Trainer und Führungskräfte in Unternehmen. Wie passt das zusammen?

Zunächst einmal: Beides macht Spaß. Ein Unterschied ist, dass sich die Strukturen im Fußball erst in den letzten 20 Jahren so richtig professionalisiert haben. Die Wirtschaft ist in einer ganz anderen Situation und in diversen Bereichen viel weiter. Trotzdem kann man mit Blick auf Führung aus dem Fußball sehr viel rausziehen. Schon weil es um Beispiele geht, die die Leute kennen, mit denen sie etwas verbinden und die sie einschätzen können. Deswegen kann der Fußball ein schöner Aufhänger sein, um bestimmte Themen zu transportieren. Themen, die für New Work wahnsinnig wichtig sind.

Auch Themen wie Druck, dem Führungskräfte häufig ausgesetzt sind?

Klar. Ein Trainer steht intern wie extern enorm unter Druck. Er muss im Prinzip mit seinen Spielern unmittelbar ihre Leistungen reflektieren, und das bisweilen täglich. Dazu gehört eben auch, ihnen zu erklären, warum sie am Samstag mal nicht im Kader stehen. Spieler, die für einige Wochen auf der Tribüne sitzen, sind natürlich ganz und gar nicht glücklich damit. Dennoch muss der Trainer es schaffen, den kompletten Kader zu einer topmotivierten und schlagkräftigen Einheit zu formen.

Wie bekommt er das hin?

Erfolgreiche Führung hat im Prinzip drei Komponenten: die visionär-charismatische, die leistungsorientierte Belohnung und strategische Führung.

Damit alle Spieler ihrem Trainer auf seinem Weg folgen, ist also Charisma ein entscheidender Faktor. Du erklärst das gerne am Beispiel von Jürgen Klopp. Wenn wir die Brücke ins Unternehmen schlagen: Müssen künftig alle Führungskräfte durch ihre Abteilungen wirbeln wie „Kloppo“ durch seine Coaching Zone?

Überhaupt nicht. Sie müssen nicht einmal besonders extrovertiert sein, um charismatisch zu wirken, im Gegenteil: Nehmen wir Mahatma Gandhi, Mutter Teresa oder auch Barack Obama – eher introvertierte, aber enorm charismatische Menschen.

Entdeckst Du während Deiner Vorträge gelegentlich ein erleichtertes Lächeln im Publikum, wenn Du verkündest, dass Charisma nicht zwangsläufig angeboren sein muss, sondern erlernbar ist?

Tatsächlich und erwiesenermaßen ist Charisma erlernbar. Kurz gesagt geht es darum, einen eigenen Wertekern zu entwickeln und zu schauen: Wie kann ich die Menschen dafür begeistern? Charisma bzw. Visionen generiert man über das Charisma-Dreieck. „Deliver“: die Art und Weise, wie man Dinge rüberbringt, etwa mit Humor, Stimme oder ungewöhnlichem Verhalten. „Frame“: die Art und Weise, wie man formuliert. Z.B. Metaphern, Geschichten, rhetorischen Fragen. „Substance“, die Vermittlung von persönlichen Werten, ambitionierten Zielen und Vertrauen in die Zielerreichung.

Nun gibt es unterschiedliche Führungsstile – von autoritär bis partizipatorisch. Gibt es auch den „richtigen“?

Autoritäre Führung muss nicht grundsätzlich falsch sein. Wenn schnelle Entscheidungen gefordert sind, in Krisen zu Beispiel, kann dieser Führungsstil sinnvoll sein. Ein Fußballverein im Abstiegskampf holt häufig einen Trainer wie Felix Magath. Klares Ziel, klare Regeln, klare Ansagen. Wenn es aber darum geht, nach dem geschafften Klassenerhalt etwas Neues aufzubauen, Visionen zu entwickeln und umzusetzen, geht es mit autoritären Trainern oft nicht mehr lange gut. So ist es auch in Unternehmen. Wenn wir auf Qualität, Kreativität und Innovation setzen – dann ist autoritäre Führung der totale Wahnsinn.

Was braucht es, um Menschen in einem solchen Transformationsprozess mitzunehmen?

Einen partizipativen, oder noch besser ausgedrückt, einen ermächtigenden Führungsstil. Das ist ein zentraler Faktor von New Work. Die Menschen einbeziehen und ermutigen, ihnen Macht übertragen. Dazu gehört dann eben auch, dass Führungskräfte etwas von ihrer Macht abgeben. Und damit tun sie sich oft schwer, weil gerade Führungskräfte natürlich einen überproportional hohen Gestaltungswillen haben.

Wer Macht und damit Aufgaben abgibt, muss auch damit leben, dass Fehler gemacht werden …

Natürlich gehört zu einem solchen Prozess auch eine vernünftige Fehlerkultur. Wenn ich jemanden ermutige, Ideen einzubringen, Aufgaben und damit Verantwortung zu übernehmen, und ihn dann beim ersten Fehler vor die Wand laufen lasse, wird er sich dreimal überlegen, ob er sich in Zukunft noch einmal proaktiv einbringt. Es geht auch darum, eine Atmosphäre zu schaffen, die Beteiligung, Kreativität, Verantwortung – und eben auch Fehler – zulässt.

Gibt es dabei aus Deiner Sicht einen zentralen Faktor?

Es gibt die Faktoren Herz, Hand und Hirn. Das Hirn, damit ich verstehe, worum es geht. Visionen funktionieren aber deutlich besser, wenn wir nicht nur das Hirn ansteuern, sondern auch das Herz. Wir müssen die Leute überzeugen. Die müssen das cool finden. Und die Hand, also den Menschen zu erklären, was sie selbst beisteuern können, um die Vision zu erreichen. Aber wenn ich wirklich den einen zentralen Hebel identifizieren müsste, würde ich die Wertschätzung nehmen.

Inwiefern?

Gerade hier gibt es eine wahnsinnige Diskrepanz zwischen der Auffassung von Führungskräften und Belegschaften. Fragen wir Führungskräfte, sagen im Prinzip fast alle, dass sie das schon ganz gut hinbekommen. Bei Umfragen in Unternehmen gehört Wertschätzung dagegen immer zu den Top-3-Kritikpunkten. Neue Studien erklären das Zustandekommen dieser Diskrepanz und geben auch Möglichkeiten, dieses Problem zu beheben. Denn die Wertschätzung ist wahnsinnig wichtig für Freude und Sinnstiftung.

Wie würdest Du das optimale Vorgehen in einem solchen Transformationsprozess auf den Punkt bringen?

Es geht darum, die Menschen für eine coole Vision zu begeistern – Stichwort Charisma – und dann den Weg dorthin freizumachen – Stichwort Ermächtigung. Das ist der Kern von New Work.