Zum Thema Arbeitszeugnis schwirren eine Menge Fakten durch das Netz – dabei ist es sehr schwer, seriöse und unseriöse Informationen voneinander zu trennen.
Was ist ein Arbeitszeugnis?
Jörn Scheffler: „Das Arbeitszeugnis ist eine durch den Arbeitgeber ausgestellte Urkunde, die dem Arbeitnehmer die Dauer, den Inhalt und den Verlauf des Arbeitsverhältnisses bescheinigt.“
Welche Arten von Zeugnissen gibt es und wie unterscheiden sich diese?
„Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Arbeitszeugnis. Im einfachen Zeugnis werden lediglich die Art sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses dokumentiert. Demgegenüber wird beim qualifizierten Zeugnis der Inhalt um eine Bewertung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers erweitert.“
Wie ist ein Arbeitszeugnis im Allgemeinen aufgebaut?
„Üblicherweise hat ein Arbeitszeugnis folgenden Aufbau: Begonnen wird mit den Angaben zur Person und zum Eintritt in das Unternehmen. Dann folgen einige Zeilen über das Tätigkeitsfeld des Unternehmens, die Position des Mitarbeiters und seine Aufgaben. Anschließend werden die Fachkenntnisse und die Aufgabenerfüllung sowie das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und gegebenenfalls Kunden beurteilt.“
Wie sollte ein Arbeitszeugnis aussehen?
„Es ist üblich, dass das Arbeitszeugnis auf Geschäftspapier ausgestellt wird. Es muss sauber und ordentlich sein, somit keine Flecken, Radierungen, Verbesserungen und Durchstreichungen enthalten. Allerdings hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Vollkommenheit des Zeugnisses, wie zum Beispiel ein ungefaltetes Zeugnis.“
Was sind die wesentlichen Grundsätze, nach denen ein Zeugnis ausgestellt werden sollte?
„Grundsätzlich bestehen bei der Ausstellung eines Arbeitszeugnisses die Wahrheitspflicht und der Grundsatz der Vollständigkeit. Das bedeutet, es dürfen zum Beispiel keine Tätigkeiten aufgeführt werden, die der Arbeitnehmer nicht ausgeführt hat. Allerdings dürfen auch keine Tätigkeiten weggelassen werden, die das Arbeitsverhältnis wesentlich geprägt haben. Des Weiteren dürfte einem Arbeitnehmer, der eine schlechte Leistung erbracht hat, kein Zeugnis erteilt werden, welches der Note "gut" oder "sehr gut" entspricht, da sich der Arbeitgeber gegebenenfalls gegenüber einem Arbeitgeber schadenersatzpflichtig machen könnte, der den Arbeitnehmer aufgrund des guten Zeugnisses einstellt. Demgegenüber steht allerdings der Grundsatz der wohlwollenden Beurteilung, so dass der Grundsatz der Wahrheit und Vollständigkeit nicht immer ohne Weiteres umgesetzt werden kann. Diese verschiedenen Grundsätze sind stets zu beachten und grundsätzlich gegeneinander abzuwägen.“
Zu welchem Zeitpunkt muss/kann man es als Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer anfordern?
„Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Ausstellung eines Zeugnisses besteht in der Regel erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es sollte in unmittelbarer Zeitnähe zum Austritt ausgestellt werden, da die Erinnerung bezüglich der Aufgabengebiete und Leistung des Arbeitnehmers im Laufe der Zeit verblassen.“
In welchen Formulierungen verstecken sich Botschaften bzw. codierte Urteile – die sogenannte „Zeugnissprache“? Können Sie ein paar Beispiele nennen?
„Es gibt zahlreiche Formulierungen, mit denen der Aussteller etwas Negatives so versucht zu umschreiben, dass der Arbeitnehmer dies nicht merkt. Ein mit der Zeugnissprache vertrauter Mitarbeiter eines Arbeitgebers kann jedoch klar erkennen, was der Aussteller hiermit zum Ausdruck bringen wollte. Hier ein paar Beispiele für Formulierungen, die eine andere Bedeutung haben, als es scheinen mag:
Dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Zeugnis auch selber schreiben? Wenn ja, wie geht er da vor? Worauf sollte man achten?
„Einen Anspruch des Arbeitnehmers, sein Arbeitszeugnis selbst zu schreiben, gibt es nicht.“
Muss ein ein Zeugnis akzeptiert werden oder dürfen auch Änderungswünsche/Inhaltswünsche geäußert werden?
„Sofern ein Zeugnis aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Änderung des Zeugnisses.“
Was ist der Unterschied zu einem Zwischenzeugnis?
„Ein Zwischenzeugnis unterscheidet sich im Vergleich zum Endzeugnis lediglich dahingehend, dass im Zwischenzeugnis kein Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses aufgenommen wird.“
Wann macht es Sinn, sich ein Zwischenzeugnis ausstellen zu lassen?
„Gute Anlässe für das Ersuchen eines Zwischenzeugnisses sind: Personalwechsel bei den Vorgesetzten, neue Arbeitsinhalte, Standortwechsel oder ähnliches.“
Welche Möglichkeiten hat man, wenn das Zeugnis unerwartet schlecht ausfällt?
„Der Arbeitnehmer kann das Zeugnis beispielsweise durch einen Rechtsanwalt rechtlich prüfen lassen und gegebenenfalls Klage vor den Arbeitsgerichten erheben. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass dem Arbeitnehmer die Beweislast obliegt, sofern er eine Beurteilung oberhalb eines "befriedigend" erhalten möchte.“
Sollten bzw. können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotz eines fehlenden Arbeitszeugnisses bewerben? Wenn ja, muss er dann auf das fehlende Schriftstück hinweisen?
„Ein Zeugnis ist keine Voraussetzung, sich für ein neues Arbeitsverhältnis bewerben zu können. Eine Hinweispflicht diesbezüglich besteht nicht. Allerdings dürfte es üblich sein, dass der potentiell neue Arbeitgeber ein Zeugnis ausgehändigt bekommen möchte.“
Kann man seinen Unterlagen auch eine Art Zeugnisersatz beilegen? Was sollte dieser beinhalten?
„Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer zur Glaubhaftmachung seiner vorherigen Beschäftigungen auch andere Unterlagen beibringen, wie zum Beispiel Entgeltabrechnungen, aus denen sich der Beschäftigungszeitraum ergibt. Ob einem potentiell neuen Arbeitgeber dies ausreicht, wird unter anderem davon abhängen, welche Qualifikation für den Arbeitsplatz notwendig ist.“
Womit ist ein Arbeitszeugnis absolut vollständig?
„Dazu gehören bei einem qualifizierten Zeugnis die Tätigkeitsbeschreibung, die Beurteilung der Arbeitsleistung, die Beurteilung des Arbeitsverhaltens, der Grund für das Ausscheiden, eine Dankesformulierung sowie Ort, Datum und Unterschrift(en) mit Angabe der Funktion bzw. Rechtsposition des Unterzeichnenden im Unternehmen. Ein Anspruch auf Dankes-, Wunsch- und Bedauernsformel besteht jedoch nicht.“
Vielen Dank für Ihr Interview zu den wichtigsten Arbeitszeugnis-Fakten, Herr Scheffler! Sollten Sie weitere Fragen zum Thema Arbeitszeugnis haben, können Sie uns gerne kontaktieren.