Gute Führung im Remote-Arbeitszeitalter

Im Panel “Führung 4.0: Mitarbeiterbindung und Unternehmensidentifikation im Remote-Arbeitszeitalter“ sprach Melanie Vinci, Präsidentin des Verwaltungsrates von persona service, gemeinsam mit anderen Expert:innen über Herausforderungen in der Führung, wenn die Arbeit sich mehr und mehr im remoten Umfeld bewegt. Was bedeutet dieses remote Arbeiten genau für Führungskräfte? 

Als Führungskraft nicht jeden Morgen die eigenen Mitarbeiter:innen im Büro begrüßen? Undenkbar. Einen Tag verbringen, ohne einmal ins Büro zu schauen und nach dem aktuellen Projektstand gefragt zu haben? Undenkbar. Und doch ist es in Zeiten des remoten Arbeitens keine Seltenheit mehr, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter:innen nicht jeden Tag beim Kaffee auf dem Gang treffen. Was aber bedeutet das für die Mitarbeiterbindung und wie muss gute Führung sich an die neuen Umstände anpassen? 

Wie sieht gute Führung aus?

“Es gibt grundsätzlich, unabhängig vom Arbeitsplatz der Mitarbeiter:innen, gute und weniger gute Mitarbeiterführung”, erklärt Melanie Vinci auf die Frage, was Führung im Remote-Arbeitszeitalter für sie ausmacht, “Eine gute Führungskraft muss dazu in der Lage sein, Mitarbeiter:innen eine Orientierung zu geben, in dem sie Ziele setzt und den Rahmen festlegt, in dem sich Autonomie entfalten kann.”  

Aber wie kann dieser Rahmen flexibel bleiben und sich den sich immer schneller ändernden Einflüssen anpassen? “Aus meiner Sicht wird der Rahmen auf 3 Ebenen gesetzt. Ziele, Werte-&Regelrahmen des Unternehmens, gesetzlicher Rahmen. Innerhalb dieser Leitplanken entsteht Raum für Selbstverantwortung und –gestaltung.”  

Wie aber gehen Führungskräfte mit dem scheinbaren Kontrollverlust um, der aus Gestaltungsfreiheit entsteht und in remote Zeiten noch größer zu werden scheint.  

“Wir müssen akzeptieren, dass wir es selbst nicht mehr immer am besten wissen. In einer von Digitalisierung getriebenen Welt, zunehmender Abhängigkeit von globalen Ereignissen und immer komplexer werdenden Strukturen, brauchen wir mehr Denker:innen am Tisch. Wir können nicht mehr im selben Maß auf Erfahrungen zurückgreifen, wie früher, weil dass was kommt, oft etwas noch nicht da gewesenes ist. Für diese rapide erscheinende Veränderungen haben wir noch keine Erfahrungswerte. Der bisherige Sicherheitsmodus funktioniert nicht mehr. Aber wir können ihn durch Vertrauen in andere ersetzen.” 

Gute Führung braucht also Ziele - im Sinne einer klaren Orientierung - und kann so Entscheidungsfreiheit zulassen. Sie braucht aber auch Menschlichkeit: “Mitarbeiter:innen die Möglichkeit zu geben, offen zu sprechen, führt zu einer gemeinsamen Ebene, auf der gelernt werden kann. Wenn ich mich ernsthaft für meine Mitarbeiter:innen interessiere, ihnen eine positive Fehlerkultur vorlebe und sie Frage ‘Was kann ich noch für Dich tun, damit Du bestmöglich handeln kannst?’, schaffe ich Raum für Innovation und fördere Selbstverantwortung und Mut zu eigenen Entscheidungen – das bringt uns dem gemeinsamen Ziel dann viel näher”, so Vinci. 

Führung im Remote-Arbeitszeitalter

Bei einem vorwiegend remote stattfindenden Arbeitsalltag bedarf es anderer Methoden, diese Kultur zu fördern. Offene und ehrliche Kommunikation gewinnt noch stärker an Bedeutung. “Klare Zielsetzungen sind enorm wichtig: Wo wollen wir als Unternehmen hin, was wollen wir erreichen und warum? Wenn jede:r weiß, wohin die Reise geht, ist es kein Problem, auf Kurs zu bleiben. Ich vertraue darauf, dass Menschen gute Arbeit leisten wollen – ich bin davon überzeugt. Und wenn sie Teil der Unternehmensgeschichte sind und wir sie als Führungskraft begeistern und inspirieren können, leisten sie gern gute Arbeit ; egal ob wir gemeinsam im Büro sind oder nicht”, so Vinci. Der Fokus sollte also auch hier auf dem Ergebnis liegen und darin, den Mitarbeiter:innen alles mit an die Hand zu geben, was sie für gute Arbeit benötigen.  

Remote oder nicht – echte, gelebte Wertschätzung ist in jeder Hinsicht wichtig. Diversität wird benötigt, um (oft neue) komplexe Probleme und Herausforderungen aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten. Sie wird benötigt, um schnell zu guten Entscheidungen zu kommen. Gleichzeitig steigt der Bedarf “gesehen zu werden”. Durch soziale Medien sind wir ständige Bestätigung gewohnt und erwarten Feedback in unserem Alltag ganz automatisch. Wir müssen als Führungskraft also ein besonderes Augenmerk darauflegen, unseren Mitarbeiter:innen Feedback zu geben, etwas das remote noch öfter wegfällt, da passt leider das Sprichwort “aus den Augen, aus dem Sinn”.  

Soziale Intgration – ein wichtiger Faktor, wenn wir in Unternehmen Fluktuation senken wollen – wird im remote Zeitalter ebenfalls schwerer. Es fehlt das Gespräch auf dem Gang oder das Treffen am Waschbecken, der gemeinsame Kaffee oder der Small Talk vor Meetingbeginn. Diese Art der verbindenden Kommunikation müssen wir remote viel zielgerichteter organisieren, durch neue Rituale. Check-Ins, 1:1 Gespräche (ereignisunabhängig und nicht zu verwechseln mit klassichen Jour-Fix Terminen, in denen wir in der Regel Sachvorgänge besprechen), Buddy-Calls usw. Es braucht neuer Führungsinstrument, um Nähe zu schaffen und Verbindung herzustellen. 

Fazit: Wo auch immer – der Mensch will wirksam sein & führen heißt Vertrauen

Es gibt also nicht den einen Lösungsweg. Führung, die nicht hauptsächlich in Präsenz ausgeübt wird, braucht einen erweiterten Methodenkoffer. Was aber für Führungskräfte generell gilt, sie müssen agil auf Veränderungen reagieren, ihren Mitarbeiter:innen zuhören, weil sie es selst nicht mehr immer am besten wissen. “Wenn wir ein klares Ziel haben und unsere Entscheidungen sowie Bewertungen an Ergebnissen orientieren, dann sind wir als Führungskräfte im richtigen Maße offen für Innovation für neue Ideen und haben keine Angst Altbewährtes loszulassen. Das gilt auch für unsere Haltung von Remote oder Präsenz. Und ...das gilt ebenso für Mitarbeitende. Es darf nicht mein persönliches Interesse die Entscheidung zu Arbeitsraum und –zeit festlegen, sondern die Frage, ob es dem gewünschten Ergebnis nützt oder es zumindest nicht gefährdet.  Und bei aller Diskussion, die wir oft in unserer Bubble führen, sollten wir nicht vergessen, dass tausende Mitarbeiter:innen Tag für Tag ihren Beitrag an Maschinen, in Produktionen, Lagern, Krankenhäusern, Feuerwehren, auf Handelsflächen leisten. Sie alle sind ganz weit weg, von der Frage “Home-Office oder arbeiten am Strand”  

“Insgesamt bin ich davon überzeugt, dass Menschen wirksam sein wollen – das entspricht exakt meinem Menschenbild. Wir dürfen - nein wir sind verpflichtet – unseren Mitarbeiter:innen unser  Vertrauen zu schenken und ihnen echte Wertschätzung entgegenzubringen”, schließt Melanie Vinci in ihrem Abschlussstatement in Hamburg und zeigt, dass es nicht viel mehr braucht als Orientierung, offene Kommunikation und Menschlichkeit für gute Führung.