Im Jahr 2019 sind Frauen in Führungspositionen noch immer ein großes und viel diskutiertes Thema. Obwohl deutlich wird, dass die Frauenquote wirkt – immerhin beträgt der Anteil an Frauen in den Aufsichtsräten der 100 größten börsennotierten Unternehmen heute durchschnittlich 30 Prozent – ist der Frauenanteil in den Vorständen deutscher Börsenunternehmen immer noch ziemlich niedrig, wie eine Studie der Allbright-Stiftung aus dem April 2019 deutlich zeigt. Obwohl der Trend also in die richtige Richtung geht, ist es für Frauen scheinbar immer noch schwer, berufliche Spitzenpositionen zu erreichen.

Frauen in Führungsrollen

Melanie Vinci ist eine von zwei Powerfrauen, die seit vielen Jahren Teil unserer persona service-Geschäftsleitung sind. In einem spannenden Gespräch mit Andree Westermann, dem Geschäftsführer der GVO Personal, spricht Melanie Vinci über Frauen in Führungspositionen und die Frauenquote. Außerdem erfahren wir, was sie anderen weiblichen Führungskräften rät, um die Karriereleiter bis ganz nach oben zu klettern.

Weibliche Vorbilder – Interview mit Melanie Vinci

Andree Westermann: Liebe Melanie, vielen Dank, dass Du Dich zu dem Interview bereit erklärt hast! Folgt man den führenden Zukunftsforschern und antizipiert die Bildungsstatistiken, wird die Zukunft weiblich. Ist persona service schon früher in der Zukunft angekommen? Was macht persona service so besonders, dass gleich zwei weibliche Führungskräfte in der obersten Etage der Unternehmensführung tätig sind?

Melanie Vinci: Ich glaube, dass das unter anderem an der Entwicklung des Unternehmens liegt. Von den Gründern Brigitta und Werner Müller bis zur Weiterführung durch Georg Breucker ging es im Unternehmen tatsächlich schon immer um Leistung und Ergebnis und darum, wie gut Du Dein Geschäft machst. Weder Geschlecht noch Alter spielen eine Rolle. Wir stellen uns immer die Frage: Ist jemand in der Position, in die wir ihn setzen oder befördern wollen, gut aufgehoben? Erzielt er gute Ergebnisse? Bei uns arbeiten überdurchschnittlich viele Frauen. Vor diesem Hintergrund führt unsere Philosophie, Führungskräfte aus den eigenen Reihen zu befördern und zu fördern, zwangsläufig zu dem Schluss: Wo viele Frauen an der Basis sind, finden sich auch viele Frauen an der Spitze. Das macht uns vielleicht im Vergleich zu anderen Unternehmen besonders, in denen es nicht so gehandhabt wird. Man muss sogar sagen, dass wir seit Jahrzehnten eher das Problem haben, dass wir an einer Männerquote arbeiten müssen. In unseren Niederlassungen arbeiten deutlich mehr weibliche Disponenten, auch wenn wir uns sehr bemühen, mehr männliche Disponennten einzustellen.

Andree Westermann: Stichwort Quote: Über Jahrtausende konnten sich ja die Männer ihrer Dominanz in der Wirtschaft sicher sein, nun sollen sie ihre Macht mit Frauen teilen. Da sie das nicht ganz freiwillig tun, ist in der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung die Forderung nach einer gesetzlichen Frauenquote über die Vorgaben bei den Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften hinaus nicht zu überhören. Franziska Giffey forderte zuletzt mehr Druck und angemessene Sanktionen, z. B. über Bußgelder. Wie stehst Du zu dem Thema?

Melanie Vinci: Wenn ich jetzt sage, wir brauchen sie nicht, dann ist das natürlich erstmal eine bequeme Antwort, wenn man sie selber nicht braucht, um weiterzukommen. Wie ich antworten würde, wenn ich an der Nichtbereitschaft von Unternehmen, Frauen zu befördern, scheitern würde, kann ich nicht sagen. Aus heutiger Perspektive glaube ich grundsätzlich, dass alles, was man per Quote regeln muss, irgendwann nicht mehr dem Prinzip Leistung folgt. Natürlich ist es wünschenswert, dass Leistung von Frauen so wahrgenommen wird, dass man sie nicht nur wegen ihres Geschlechtes befördert. Und ja, da braucht es insbesondere in konservativen und männerdominierten Unternehmen eine Haltungsänderung. Aber wie sich Haltung ändern kann, kann man am Beispiel der Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren erkennen – heute können wir uns gar nicht mehr vorstellen, wie es ohne wäre. Ich glaube, es lohnt sich weiterzukämpfen, dass Leistung zählt. Aber sie zu regulieren, halte ich für gefährlich.

Andree Westermann: Wo liegen aus Deiner Sicht denn Ursachen, dass Frauen in TOP-Führungspositionen im Mittelstand meist weniger als 5 % ausmachen und ein weiblicher CEO bisher nur selten anzutreffen ist?

Melanie Vinci: Ich denke, dass es einfach in der Historie liegt. Frauen hatten permanent mit dieser Doppelrolle – Beruf und Muttersein – zu kämpfen. Geschichtlich bedingt haben Frauen eine andere Sozialisierung. Früher gab es wenige Möglichkeiten, mit Kind zurück in den Beruf zu gehen. Es gab wenige Modelle für Frauen, in Teilzeitpositionen zurückzukommen, es gab wenig Betreuung für Kinder und das öffentliche Bild von Frauen als berufstätige Mutter war damals ebenfalls ein anderes als heute. Die Arbeitsmodelle haben sich erst in den letzten Jahren verändert, das ist ja ein Prozess, der immer noch andauert. Männer dagegen sind seit Jahrzehnten in Bildung und den Berufen geblieben, gerade im Mittelstand. Auch gab es früher andere Studienvoraussetzungen für technische Studiengänge – all das spielt sicher eine Rolle. Heute ist beides nicht mehr so schwierig zu vereinen und wenn wir zehn Jahre weiter schauen, bin ich mir sicher, dass sich das Bild deutlich verändert haben wird. Ein Beispiel ist das Thema Elternzeit: Als ich bei persona service anfing, habe ich mich in Bezug auf meine männlichen Kollegen mit dem Thema eher weniger beschäftigt. Heute ist das völlig normal und in jeder Position akzeptiert. Man darf deswegen schon etwas optimistischer sein, dass sich die Gesellschaft natürlich weiterentwickelt und offener gegenüber neuen Lebensmodellen wird.

Andree Westermann: Wenn eine Quote kein probates Mittel ist, welche Veränderungen müssten in der Gesellschaft und in den Unternehmen vollzogen werden, damit sich das Verhältnis ändert?

Melanie Vinci: In den Unternehmen, besonders im Mittelstand, braucht es eine Öffnung und Entwicklung, Menschen größere Flexibilität sowie andere Möglichkeiten zu bieten. Zeitgleich stehen die Unternehmen natürlich vor der Herausforderung, zu bewerkstelligen, dass die Arbeit ohne Probleme weiterläuft wie bisher. Wir sollten nicht plötzlich sagen, alles Konservative und klar Geregelte ist schlecht und wir regeln ab sofort alles frei, weil langfristig Leistung und Ergebnis darunter leiden würden. Aber eine vorsichtige Veränderung an neue Gegebenheiten und die Lebenssituation der Leistungsträger, daran glaube ich auf jeden Fall.

Andree Westermann: Was würdest Du anderen weiblichen Führungskräften empfehlen? Welche Skills sind aus Eurer Sicht notwendig, um die oberste Führungsebene zu erreichen?

Melanie Vinci: Also ich glaube, dass ganz unabhängig davon jeder erstmal eine Fachkompetenz in Business braucht, was ich bei Führungspositionen als ganz selbstverständlich voraussetze. Die Grundvoraussetzung neben der Fachkompetenz ist vor allem Respekt gegenüber Menschen. Vor jeder sozialen Schicht, Herkunft oder Meinung. Mut, in Konflikte zu gehen. Sich trauen, Dinge konkret anzusprechen. Klarheit ist eine der höchsten Formen von Wertschätzung. Frauen würden sich einen großen Gefallen tun, Sachthemen manchmal zu entemotionalisieren. Insgesamt in Führungspositionen: Ein bisschen unartig sein. Ich glaube, das können wir von der neuen Generation lernen. An eigenen Ideen rumschrauben zu lassen, eine Meinung dazu zu haben, gemeinsam weiter daran zu arbeiten. Die beste Idee führt und nicht der, der sie mit der lautesten Stimme vertritt. Das ist super für die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, der Gesellschaft insgesamt, und das würde ich mir auf jeder Führungsebene wünschen.

Andree Westermann: Die Unternehmens- und Mitarbeiterführung 4.0 macht einen Paradigmenwechsel notwendig. Unter anderem durch die Digitalisierung sowie durch eine Erbengeneration mit einer besonderen Affinität für die Work-Life-Balance. Auch ist die zukünftige Generation an Mitarbeitern besser ausgebildet, hat Freiheit und Demokratie verinnerlicht. Wo seht Ihr die größten Herausforderungen diesbezüglich und was sind Eure Strategien dazu?

Melanie Vinci: Wir haben großes Glück in unserer Branche, in der wir arbeiten. Ich denke, dass die neue, gut ausgebildete Generation im Gegensatz zu den vorhergehenden Generationen so gut wie gar keine existentiellen Ängste mehr hat. Die wollen gar nicht mehr 30 Jahre lang den einen Job ausüben, das ist einfach nicht mehr deren Lebensidee. Ob ich erfolgreich bin oder nicht, definiert sich über eine gute Aufgabe und den Sinn, den man darin sieht, nicht mehr über das Sichtbarmachen von materiellen Werten. Wenn wir uns mal zehn Jahre weiterbeamen, werden wir die modernste Branche sein in Form eines Arbeitgebers, die man sich nur denken kann, weil wir genau das erfüllen. Wir bieten Menschen permanent neue spannende Möglichkeiten und Projekte, sie können ohne Probleme ein- und aussteigen – all das ist in anderen Unternehmen gar nicht oder nur schwer möglich. Unsere Branche wird insgesamt von dieser Idee, die Menschen heute mit Work-Life-Balance verbinden, unter dem Thema Freiheit profitieren. Trotzdem bin ich der Ansicht: Menschen werden immer Spielregeln brauchen, an denen sie sich orientieren können. Danach suchen und streben sie, weil es ihnen Halt gibt. In Halt und Sicherheit kann ich viel freier arbeiten, als wenn ich diese gar nicht habe. Meine Erfahrung ist, dass auch die neue Generation die Spielregeln akzeptiert und versteht, insofern sie nicht willkürlich sind und einen Sinn haben.

Andree Westermann: Für wie wichtig hältst Du die Bereitschaft zu verstehen, was meine Mitarbeiter bewegt? Die Bereitschaft zuzuhören und den Mitarbeitern mehr Freiheit zu geben, Dinge auszuprobieren, wenn es dem gleichen Ergebnis dient.

Melanie Vinci: Ich habe mich grundsätzlich schon immer für meine Mitarbeiter interessiert, so wie unser gesamtes Unternehmen, und ich glaube, die höchste Motivation für den Mitarbeiter ist Erfolg. Also schaff‘ ihm eine Basis, auf der er schnell erfolgreich sein kann. Interessiere Dich und höre zu, sag klar „Nein“ und nicht „Vielleicht“. Klarheit ist wichtig.

Andree Westermann: Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Führen Frauen eigentlich grundsätzlich anders als Männer und wo liegen die signifikantesten Unterschiede?

Melanie Vinci: Ich finde die Frage sehr spannend, aber ich mache nicht gerne Schubladen auf und wieder zu. Wenn ich überhaupt einen Unterschied nennen würde, denke ich, dass es eine Stärke ist, dass Frauen schneller Stimmungen wahrnehmen können. Männer sind tendenziell stärker auf der Sachebene zu sehen. Also, da kann man voneinander lernen. Aber am Ende ist das Individuum entscheidend und nicht Frau oder Mann.

Andree Westermann: Als Vorbildfunktion für viele Frauen im eigenen Unternehmen – was ist Deine zentrale Botschaft, die Du aus Deiner Erfahrung weitergeben würdest?

Melanie Vinci: Spaß haben an der Entwicklung, vor allem an der eigenen Entwicklung. Sich erfreuen, wenn etwas nicht so klappt und gerade dann weitermachen. Fehler machen gehört dazu. Den Mut haben, einfach zu machen. Nach vorne gehen, nicht ständig zweifeln, was schiefgehen könnte – es einfach versuchen. Und final: Kopf einschalten, aber Bauch vertrauen.

Herzlichen Dank an Melanie Vinci für dieses spannende Interview!

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